Autorenporträt
Dieter Kleffner wurde 1957 in Essen NRW geboren. Seine anfängliche Sehbehinderung mündete im Erwachsenenalter in Erblindung. Er arbeitete beruflich bis zum Ruhestand in der klinischen Physiotherapie. Dieter Kleffner wohnt in Hattingen, ist verheiratet, hat zwei erwachsene Kinder und eine süße Enkelin.
Autorentätigkeiten:
Dieter Kleffner schreibt seit Jahren überwiegend im Genre Belletristik. Seine Kurzgeschichten und Romane wurden in Magazinen, Hörzeitungen, Anthologien, eigenen Büchern, und als Hörbücher bei Blindenhörbüchereien veröffentlicht.
Er ist Mitglied im literarischen Arbeitskreis BLAutor, einem Zusammenschluss sehbehinderter und blinder AutorInnen. Seit 2022 gibt er Online-Lesungen auf der BLAutor-Lesebühne im Online Veranstaltungszentrum Blindzeln, die im Blindzeln Radio und über Amazon- Assistenten übertragen werden.
Er erhielt den Planet Award – Autor des Jahres 2018 – im Künstler Radioplanet Berlin und Buchpreise.
Veröffentlichungen
Informationen zu Büchern, Presseberichten, Radio- und Web-TV-Interviews gibt es unter
Seiner Homepage
www.verlag-epv.de
und auf
Bücher und Hörbücher auf Blautor.
Einige Texte und Gedichte
Adventsgedicht: Frieden nur für eine Nacht
Weihnachtsstress
Blind
Die überregionale Büttenrede – Alaaf und Helau!
Die Welt der Bälle
Ein Wimpernschlag fern vom Paradies
Ein Winterweg
Erinnerungen eines Musikers
Großvaters Buch
In der Schreibstube
Jahresschlemmer
Kinder braucht die Welt
Lebenssinn
Von der Urzeit zur Zeit der Uhr
Was mir Sprichwörter sagen
Adventsgedicht: Frieden nur für eine Nacht
Große Flocken schweben nieder,
färben weiß das Tal, die Höhen,
endlich kommt der Winter wieder,
lässt die Sonne tiefer stehen.
Weiß ist der Wald, weiß ruht das Feld,
weiß ist die ganze Winterwelt.
Kahle Bäume, Zuckerguss,
zugefroren ist der Fluss.
Eiskristalle glitzern hell,
spiegeln sich im Sonnenlicht.
Tiere steh‘n im Winterfell,
drängen an die Krippen dicht.
Der Tag neigt sich zur längsten Nacht,
und stiller wird die Welt.
Der Himmel zeigt nun seine Pracht,
zum Greifen nah das Sternenzelt.
Stets war die längste Winternacht
der Grund für unsre Ahnen,
dass man ein großes Feuer macht,
bei Kelten und Germanen.
Es gab kein‘ Streit, nur Schulterschluss,
es floss der Wein, das Met,
man aß und trank mit viel Genuss
und sprach dann ein Gebet.
Auch wenn die alten Götter nun
durch neue fast vergessen,
so feiert man zur gleichen Zeit
mit Liedern und mit Essen.
Die längste Nacht im Christenbrauch
ist ebenfalls geweiht,
man füllt die Seele, Herz und Bauch
und nennt sie Weihnachtszeit.
Unter schneebedeckten Dächern
in der warmen Stube drin,
duftet Glühwein in den Bechern,
knistert Holz in dem Kamin.
Menschen reichen sich die Hände,
nehmen sich eng in den Arm.
Erst zur Wintersonnenwende
wird manch‘ kaltes Herz dann warm.
Statt dem alten Lagerfeuer
steht geschmückt in jedem Raum,
im Kerzenschein, mit Kugeln teuer,
jetzt ein schmucker Weihnachtsbaum.
Es riecht nach Tanne oder Fichte,
ein Bratenduft zieht reich durchs Haus.
Kinder tragen vor Gedichte,
packen die Geschenke aus.
„Stille Nacht, oh, Heilige Nacht“,
ein Kinderchor singt Lieder.
So endet bald die längste Nacht
mit „Alle Jahre wieder“.
Wenn Finsternis den Mensch befällt
mit ihrer großen Macht,
kommt endlich Frieden in die Welt …
Leider nur für eine Nacht!
Buchauszug: Gedichte, die Bände sprechen
Autor Dieter Kleffner, ©2020 Edition Paashaas Verlag
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Weihnachtsstress
Woran erkennt man den Advent?
Ist das die Zeit, wenn jeder rennt?
Wenn man auf Schnee und Eis gar flucht,
beim Reifenhändler Anschluss sucht?
Wenn „Hoch die Tür, die Tor macht weit“
die Music-Box durchs Kaufhaus schreit?
Wenn Kinder vor der Quengelware
nerven bis zum Weihnachtstage?
Wenn Christbaumständer kitschig klingen,
weil viele Kinder nicht mehr singen?
Wenn Weihnachtsfeiern endlos stressen?
Wenn mancher klagt: „Schon wieder essen?“
Wenn Mutti sich die Haare rauft:
„Ich hab noch kein Geschenk gekauft!
Ich weiß nicht, was ich schenken soll.
Das Kinderzimmer ist schon voll!“
Den Ehemann wird es nicht schocken,
er kriegt wie immer neue Socken.
Opa liegt zurzeit im Koma.
Doch was schenken wir der Oma?
Was bekommt zum Fest der Hund?
Jesus, geht es dies Jahr rund!
Jesus …, ja …, wie war das noch?
Kommt der zum Fest auch zu Besuch?
Am Abend brennen Muttis Füße.
Sie schreibt auf Weihnachtskarten Grüße.
Auch Vater kommt gestresst nach Haus
und sieht geplättet, müde aus.
Das Paar schläft schon beim Fernseh‘n ein
und träumt, nun wieder Kind zu sein …
Fern von allen Elternpflichten …,
einfach aus dem Alltag flüchten.
Die Welt mit Kinderaugen sehen …
Ach, wie wär das Leben schön!
Zur unbeschwerten Kinderzeit
da hat man sich noch sehr gefreut
auf Schneeballschlachten, Schlittenfahrten,
auf Nikolaus, aufs Christkind warten.
War dann der Himmel abends rot,
das war des Christkinds Ofenglut.
Da wurd‘ im Himmel noch gebacken …
Schokosterne mit fünf Zacken,
Zimtgebäck und Marzipan
schleppte einst das Christkind an.
Rief die Mutter dann ins Haus,
zog man die nassen Sachen aus,
verteilte Schnee sorglos im Flur,
zog mit den Stiefeln eine Spur,
schob die Füße untern Tisch,
es war gedeckt und alles frisch.
Man lernte Gedichte, man schrieb ganz toll
mit Wünschen einen Zettel voll.
Ein Wunsch war allgemein sehr groß
und ließ die Kinder nicht mehr los:
„Christkind, ach, ich bin noch klein.
Ich will ganz schnell erwachsen sein!
Brauch morgens nur zur Arbeit gehen …
Oh, wie wär das Leben schön!“
…
Das Christkind hat den Wunsch erhört
Und nun das Älter-Sein beschert.
Doch jeder Mensch erträumt sich grad‘
immer das, was er nicht hat!
Und die Moral von der Geschicht‘:
Trübsal blasen lohnt sich nicht!
In jedem von uns steckt ein Kind,
auch wenn wir längst erwachsen sind!
Lässt man dies‘ Kind in sich heraus,
dann sieht die Welt gleich anders aus …
Der Stress weicht der Gelassenheit …
Man freut sich auf die Weihnachtszeit!
Buchauszug: Gedichte, die Bände sprechen
Autor Dieter Kleffner, ©2020 Edition Paashaas Verlag
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Blind
Was bedeutet: „Ich seh‘ nicht“?
Was bedeutet das Wort ‚blind‘?
Es flackert subjektives Licht,
wo geisterhafte Schleier sind.
Schleier aus hellen und dunklen Flecken,
ständig im Wandel und völlig bizarr.
Was mag real dahinter stecken?
Die Welt bleibt für mich unsichtbar!
Das Ohr versucht ein Bild zu malen,
so wie es das Auge früher bot.
Doch wie klingen Sonnenstrahlen?
Wie klingen blau und gelb und rot?
Die Nase kennt den Duft der Welt,
versucht mir alles zu erschnuppern.
Sie reckt sich hoch zum Sternenzelt …
Doch, wie riechen Sternenschnuppen?
Mein Geschmack macht sich ein Bild
von kulinarischen Genüssen.
Sag‘, funkeln Augen feurig wild
bei innig heißen Küssen?
Mein Tastsinn kann schematisch sehen,
was Fingerspitzen fühlen.
Doch, wie erfühlt man weite Seen?
Wie himmlisch weiße Wolken spielen?
Nur wer den Regenbogen sah,
der kennt die ganze Farbenpracht.
Das Auge brachte mir einst nah,
wie der Mond von ferne lacht.
Wenn ich mir Bilder machen will
von der realen Welt,
dann hilft Erinnerung sehr viel
und was die Fantasie erzählt.
Zur Stimme zählt auch ein Gesicht.
Ist dieses furchtlos oder bang?
Ist es glücklich oder nicht?
Die Mimik wird bestimmt vom Klang.
Die Blindheit schafft mir große Lasten.
Trotzdem kann ich in mich gehn,
gründlich hören, riechen, tasten,
sehr viel von der Welt verstehen.
Fehlt mir optisch heut‘ der Sinn,
so ist das nicht das Ende.
Talente stecken in mir drin,
drum spuck‘ ich in die Hände.
Dem Ohr reich‘ ich Gitarrensaiten,
den Fingern Tastaturen,
lass‘ mich vertrauensvoll begleiten
auf fremden Wegen, neuen Spuren.
Buchauszug: Gedichte, die Bände sprechen
Autor Dieter Kleffner / Edition Paashaas Verlag
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Die überregionale Büttenrede – Alaaf und Helau!
Von Dieter Kleffner
Glaubensregeln, Zaubereien
wirken besser in Latein.
Doch bei dem Satz: „Carnem levare“
kriegt der Sextaner graue Haare.
„Das Fleisch wegnehmen.“ Heißt es da.
Auf Anhieb ist der Sinn nicht klar.
„Carnem levare“ steht nun mal
Pate für den Karneval.
Gemeint ist da die Fastenzeit
mit sechs Wochen Hungerleid.
Bis Ostern hat man dann nur Schmacht …
Drum feiern wir die Fassenacht.
Bei diesem wunderbaren Brauch
füllt man vorsorglich den Bauch,
toll wird gefeiert in den Gassen,
man ist frivol und ausgelassen.
[Tusch]
Gerade der Karneval am Rhein
lädt viele, viele Narren ein.
Kaum wird die Martins-Gans geschlacht‘,
da ist der Hoppeditz erwacht.
Am Elften Elften hopst er schon,
schwingt Narrenreden zur Session.
In Düsseldorf da krönt der Narr
Prinz Karneval in jedem Jahr.
Venezia winkt mit dem Fächer
und Altbier strömt in alle Becher.
In jeder Halle gibt‘s ne Schau,
als Schlachtruf hört man dort: „Helau!“
[Tusch]
Die Tollität Prinz Karneval
regiert die Kölner Jeckenzahl.
Der Bauer, seine Deftigkeit,
repräsentiert Wehrhaftigkeit.
Die Jungfrau, lieblich, männlich schön,
erstrahlt als Mutter der Stadt Köln.
Das Altbier hält man dort für falsch
Und trinkt stattdessen lieber Kölsch.
In der Session gibt’s kaum noch Schlaf,
denn ständig ruft man dort: „Alaaf!“
[Tusch]
In „Mainz bleibt Mainz, wie’s singt und lacht“,
da feiert man die Fassenacht.
Man isst und trinkt Worscht, Weck und Woi
und schunkelt kräftig noch dabei.
Es wird getanzt, geküsst, gelacht
und die Nacht zum Tag gemacht.
Heißt es: „Alaaf!“ oder „Helau!“,
sehr ähnlich ist die Narrenschau.
[Tusch]
Bevor die Fastenzeit beginnt,
die Weiber völlig närrisch sind.
Die Kostüme sind zum Schießen,
da kann das Auge voll genießen.
Am Donnerstag da wollen sie’s wagen
und gehen den Männern an den Kragen.
Mit Tapferkeit und kleinem Schwips
wird abgeschnitten jeder Schlips.
Jedes Rathaus wird besetzt
und aller Ernst hinausgehetzt.
[Tusch]
Die Männer schreiten auch zur Tat
und wählen einen Elfer-Rat.
Närrisch prunkvoll muss es sein.
So laden sie zur Sitzung ein.
Das Narrenvolk kommt bunt maskiert,
dazu wird kräftig musiziert.
Knappe Röckchen, schöne Beine
tanzen bald nicht mehr alleine.
[Tusch]
Nach einem Tusch geht in die Bütt
ein weiser Narr mit stolzem Schritt.
Im Karneval hat viel Gewicht,
was solch ein Narr zum Fürsten spricht.
Es ist seit der Antike schon
einmal pro Jahr die Tradition,
dass sich der Knecht zum Herren macht
und unverblümt die Wahrheit sagt.
Dass er auf alle Fehler weist,
wo seine Herrschaft gern entgleist.
So macht auch Sinn im Karneval
das ernste Wort um die Moral!
Die Herrscher sehen das nicht verbissen,
bis Ostern haben sie’s längst vergessen!
[Tusch]
Nach allen Reden, weise, klug,
folgt bald der Rosenmontagszug.
In vielen Städten geht es rund,
endlose Züge laut und bunt,
Konfetti und Kamellen fliegen,
schunkelnd sich die Mengen wiegen.
Man ruft „Alaaf“ und schreit „Helau“,
und viele Narren sind bald blau.
Flöten trillern, Trommeln dröhnen,
Zugpferde vor den Wagen stöhnen.
Funkenmariechen knackig schön
lassen nackte Beine sehen.
Gardestiefel stramm marschieren,
Blaskapellen musizieren,
im schönsten Wagen, ganz am Ende,
stolz hebt Prinz Karneval die Hände …
[Tusch]
Am Aschermittwoch: Der Kopf tut weh!
Leer ist auch das Portmonee!
Fremde Küsse sind vergessen.
Man schwört, bis Ostern kaum zu essen.
In den Straßen, auf jedem Platz,
da jammert man des Dichters Satz:
„Alles in der Welt lässt sich ertragen,
nur nicht eine Reihe von schönen Tagen.“
Willkommen sei die Fastenzeit …
Danach passt wieder jedes Kleid!
[Tusch]
Buchauszug: Gedichte, die Bände sprechen
Autor Dieter Kleffner, ©2020 Edition Paashaas Verlag
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Die Welt der Bälle
Das Universum schuf voll Wonne
alle Sterne und die Sonne.
Die Sonne ist ein Feuerball,
strahlt auf Planeten und ins All.
Doch Bälle, die weit um sie kreisen,
sind gezwungen zu vereisen.
Der Erdball ist der Sonne nah,
umkreist sie nur in einem Jahr.
Als Trabant hat er den Mond,
und der Erdball ist bewohnt.
Er hat in seiner blauen Pracht
den Spielball einst hervorgebracht.
Es blieb nicht bei dem einen Ball,
Spielbälle gibt es überall.
Mal sind sie groß, mal klein, mal bunt,
Hauptsache ist, der Ball ist rund.
Hier sehen wir uns nun mal an,
was jeder dieser Bälle kann:
Den Fußball kennt nun wirklich jeder!
Der Star kommt immer ganz in Leder.
Tausende, die woll‘n ihn sehen
und wöchentlich ins Stadion gehen.
Als Nebensache in der Welt
verdient er heut‘ das meiste Geld!
Der Baseball ist sehr hart und steif.
He’s ‘the American way of life’.
Cheerleader-Girls sein Spiel begleiten,
sind schlank mit schönen Oberweiten.
Sie fordern Beifall überall.
Da schaut der Mann nicht auf den Ball!
Handball und die Basketbälle
dribbeln meistens in der Halle.
Sie gehen rasch von Hand zu Hand
und knallen lautstark vor die Wand.
Als Spieler sieht man hier die Großen,
die andern in die Rippen stoßen.
Ein Netz zwei Spielergruppen trennt,
wie man den Mannschaftssport oft kennt.
Sie hüpfen rhythmisch in der Halle
Und langen nach dem Volleyballe.
Sie schlagen ihn ins Gegnerfeld,
ein Treffer nur am Boden zählt.
Gar kein Star im nächsten Fall
ist der große Wasserball.
Er liebt die Wellen und das Meer
und dient den Schwimmern umso mehr.
Wirkt er auch sehr aufgeblasen,
ist er sanft zu jedem Rasen.
Medizinball! Wer mag diesen?
Ließ die Schüler stets verdrießen!
Er diente nie dem Zeitvertreib,
nur harter Übung für den Leib.
Da er den Sportler stark erhitzt,
klebt dieser Ball und wirkt verschwitzt.
Der Federball benutzt ein Feld,
das nicht sehr viele Meter zählt.
Er ist vom Wesen her sehr zart,
hat eine flatterhafte Art,
gesellschaftlich ein Leichtgewicht,
verträgt die kleinste Böe nicht.
Tischtennisball, ein hohler Typ,
tönt laut Ping-Pong bei jedem Hieb.
Als Spielfeld braucht er nur den Tisch,
macht lahme Glieder wieder frisch.
Er trainiert die Reaktion,
die Fitness ist des Spielers Lohn.
Der Tennisball hat mehr Gewicht
und lebt gern in der Mittelschicht.
Die Spieler tragen weiße Socken,
selbst Alte lassen sich noch locken.
Manchem winkt nur die Blamage,
der Tennisstar kriegt fette Gage.
Fehlt noch der Golfball bei den Kleinen,
zählt sich selbst zu den ganz Feinen.
Sein Spielfeld ist die Upper-Class,
er rollt gern auf gepflegtem Gras.
Er spielt nur mit den Reichen noch,
die folgen ihm von Loch zu Loch.
Man sagt: „Alle Bälle, die sind rund!“
Doch damit wär die Welt nicht bunt.
Erst ihre Art, Besonderheit
verleihen dem Leben Heiterkeit.
Egal, ob bunt, ob groß, ob klein,
ein jeder soll uns wichtig sein!
Buchauszug: Gedichte, die Bände sprechen
Autor Dieter Kleffner, ©2020 Edition Paashaas Verlag
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Ein Wimpernschlag fern vom Paradies
eine Ballade von Dieter Kleffner
In dem alten Testament,
auch die Heilige Schrift genannt,
können Bücherwürmer lesen,
wer der erste Mensch gewesen.
Adam hieß der erste Mann,
mit dem die Menschheit einst begann.
Gott schuf dem Adam eine Frau,
Namens Eva, die war schlau.
Ihr Wohnort hieß Das Paradies,
in dem es sich gut leben ließ.
Keine Arbeit, keine Pflicht,
Man lag nur faul im Sonnenlicht.
Nahrung gab‘s im Überfluss
und Felsquellwasser zum Genuss.
Sie brauchten nur nach Früchten greifen,
die im Paradies süß reifen.
Es gab kein Stress und keine Eile,
drum spürte Eva Langeweile.
Sie sprach: „Adam, wo führt das hin?
Ich find‘ hier keinen Lebenssinn.
Gott hat mir Neugier gegeben,
also will ich was erleben.
Nicht nur lieben, nicht nur speisen.
Ich möchte endlich mal verreisen!“
Adam fragte sehr erstaunt:
„Wieso bist du schlecht gelaunt?
Was braucht der Mensch noch mehr zum Leben,
als täglich Essen, trinken, lieben?
Ich als dein Mann befehle dir:
Wir reisen nicht! Wir bleiben hier!“
Eva rief: „Das ist gemein!
Jetzt stell‘ ich meine Liebe ein!“
Die Frau hat innerlich gelacht
und schon längst bei sich gedacht:
Kann Adam seine Lust nicht stillen,
dann ist er mir schon bald zu Willen.
Eva packte schon mal leise
Feigen, Äpfel für die Reise.
Der Adam stapfte hin und her,
ihm schmerzten ja die Lenden sehr.
Was blieb ihm noch vom Paradies,
wenn Eva ihn nicht lieben ließ?
Also gab er bald klein bei:
„Eva, bitte, du verzeih‘.
Ich folge dir auf Schritt und Tritt
und mache deine Reise mit.“
Sie gab ihm lächelnd einen Kuss:
„Bestell‘ dem Herr Gott einen Gruß.
Wir werden uns hier wieder laben,
wenn wir die Welt gesehen haben.
Sag dem Herrn brav: Dankeschön.
Und dann lass uns endlich gehen.
Ich steck‘ uns Feigenblätter ein,
im Ausland könnt es kühler sein.“
Ganz still verließen sie den Ort
und schlichen in der Frühe fort.
+++
Hinterm Paradieses-Rand,
in fremder Welt und fremdem Land,
durchquerten sie mit nacktem Fuß
tiefe Wälder, manchen Fluss.
Steppe oder Wüstensand
war beiden Menschen unbekannt.
Wolken hoch am Firmament,
Die das Paradies nicht kennt,
brachten plötzlich Donner, Blitze,
fort war die angenehme Hitze.
Eva klagte: „Oh mein Mann
jetzt fängt es noch zu regnen an!
Mein Feigenblatt ist völlig nass,
kein Unterstand, nur ödes Gras.
Ich fange furchtbar an zu frieren.
Besorg‘ uns Felle von den Tieren!
Such‘ eine Höhle, mach ein Feuer!
mir wird das Ganze ungeheuer!“
Eva verfiel in Hysterie
Schrie Adam an, so wie noch nie:
Wie sieht‘s danach mit Essen aus?
Nirgends wartet hier ein Schmaus,
Kein Fast Foot zum herunterflücken
kann ich nah und fern erblicken.“
Adam brummte voller Frust:
„Ich habe es ja gleich gewusst.
Ein Paradies kann dort nur sein,
wo Frauen nicht meckern oder schreien!“
Und in seiner großen Not
wandte Adam sich an Gott:
„Oh Herr, zeig‘ uns dem Weg zurück,
denn nur in Eden wohnt mein Glück!“
Doch – angesichts der Ewigkeit
Hatte Adams Schöpfer Zeit.
seine Menschen zu betrachten
und war erstaunt, was die so machten.
Das Wesen, das er da erschaffen,
unterschied sich sehr vom Affen.
Es zeigte Neugier und Verstand,
War auch geschickt mit seiner Hand.
gab sich der Neugier gerne hin
und suchte nach dem Lebenssinn.
Adams Herr beschloss am Ende:
Ich leg‘ die Welt in Menschenhände.
Ich bin gespannt, was sie draus machen.
Vielleicht bekomm‘ ich was zu lachen.‘
+++
Adam ging nun jeden Morgen
auf die Jagd mit Pfeil und Bogen.
Eva wurde Sammlerin,
malte Höhlenbilder schön.
Ideen hatte sie genug
Und stellte Adam an den Pflug.
Wildgetreide wurd‘ gesät,
sie schaften oft von früh bis spät.
Sie machten wilde Tiere zarm
und es entstand die erste Farm.
Sie erfanden Rad und Herd,
spannten vor den Pflug das Pferd.
Dem Urwald rückten sie zu Leibe
und Drehten spindel, Töpferscheibe.
Doch eines Tags fiel Adams Hammer
und er rief in seinem Jammer:
„Oh Gott, was müssen wir uns plagen!
Du schuf die Welt in nur sechs tagen.
Am siebten Tag hast du geruht.
Ich denk, Das tut auch Menschen gut!“
So wurd‘ die Woche einst erfunden
mit begrenzten Arbeitsstunden.
War auch der Garten Eden fern,
so dankten sie sehr oft dem Herrn,
für die Ernte ihrer Erde,
für die gesunde Viehzuchtherde.
Und wenn Eva Adam kuscheln ließ,
war sie für ihn das Paradies.
Doch immer wenn sie ihn begehrte,
die Menschheit sich schon bald vermehrte.
So ging die Sonne auf und unter,
die Erde drehte sich recht munter,
+++
Die Menschheit schaffte, schwitzte lernte
und war sehr stolz auf jede Ernte.
Aus dem Boden grub sie Erz
und für Gold schlug bald ihr Herz.
Manches schön gewebte Kleid
brachte Ansehen und auch Neid.
Bald war’n die Menschen nicht mehr gleich,
Es entstanden Arm und Reich.
Gerade das Sozial-Gefälle
brachte Mauern und auch Wälle.
Die Menschen schufen Häuser, Städte,
bauten Türme um die Wette
Es wuchs die Gier und auch das Raffen,
Der Mensch erfand die schlimmsten Waffen.
Mit diesen kamen viele Kriege,
Niederlagen und die Siege.
Jedes Streben nach der Macht
hatte Elend, Tod gebracht.
Bald priesen Priester die Moral,
schufen Regeln ohne Zahl,
erfanden Götter ohne Ende,
Die Macht fiel auch in ihre Hände.
Die Menschheit stritt nicht nur um Güter,
sondern auch noch um die Götter.
Fürsten, Priester kamen, gingen,
von ihnen nur noch Sagen singen.
Bis heute streiten Religionen,
benutzen bomben und Kanonen,
senden voller Hass Raketen
zu Menschen, die halt anders beten.
Da Adams Gott im Himmel thront,
flog der Mensch schon bis zum Mond.
Doch – für Gott war diese lange Zeit
nur ein Wimpernschlag der Ewigkeit.
+++
Das Paradies kann man erträumen
unter Sonne, Palmenbäumen,
mit Meeresrauschen, herrlich warm
und dem geliebten mensch im Arm.
Doch jeder Urlaub geht zu Ende
dann spuckt man wieder in die Hände.
Der Mensch fängt erst zu leben an,
wenn er sich frei entfalten kann,
wenn er Talente neu entdeckt,
wenn er zeigt, was in ihm steckt.
Aber — Streben führt nicht nur zum Glanz,
es fördert gern die Arroganz,
und wie wir oft sahen in alter Zeit.
verursacht Streben oft den Neid,
Doch nutzt der mensch Herz und Verstand
reicht friedlich allen seine Hand,
und führt auch gut gemeinte Reden,
dann sind wir nicht mehr fern von Eden!
©2022 Dieter Kleffner
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Ein Winterweg
Ein Tal dehnt sich von West nach Ost,
ihm folgt ein Bach so kalt.
die Bäume weiß gemalt vom Frost,
starr steht der Winterwald.
Schlittenspuren wie ein Gleis,
weiße Tannen stehen am Rand,
Bäche gurgeln unterm Eis,
Winterzeit im Alpenland.
Ein Wasser über Felsen fällt,
Berghänge steigen weit hinauf
bis zu dem blauen Himmelszelt,
das stützt sich an den Gipfeln auf.
Schneefelder glitzern überall,
Zuckerguss auf jedem Haus,
ein Kirchturm reckt sich aus dem Tal,
alles sieht so friedlich aus.
Der Waldweg wird jetzt eng und steil,
ich atme Nebelschwaden.
„Raste endlich mal ‘ne Weil!“,
stöhnen meine Waden.
Malerisch sind diese Berge,
geheimnisvoll die Stille,
Menschen wirken klein wie Zwerge,
hier spürt man Gottes Fülle.
Mein Weg erreicht die halben Höhn,
dort thront im Sonnenlicht
nun eine Bergkapelle schön,
genießt die weite Sicht.
Heiligenbilder sieht man da,
ein Türchen niedlich klein,
ein Kerzlein flackert am Altar
und lädt zum Beten ein.
Gott zum Gruß, du kleines Haus.
Ich bin schon fast am Ziel.
Dort drüben lockt das Bergerhaus,
wo ich einkehren will.
Eiszapfen hängen wie Gardinen
unterm Dach und dem Balkon,
Rauch steigt auf aus den Kaminen,
man riecht den Duft des Ofens schon.
Das Abendrot sagt: „Gute Nacht“,
die Sonne sinkt ganz ferne,
der Himmel wandelt seine Pracht,
es treten vor die Sterne.
Die Lichter locken mich zur Tür,
Eisblumen vor den Scheiben,
ein warmes Plätzchen gönn ich mir,
werd meine Hände reiben.
Schon in der Diele schwebt ein Duft,
bekannt sind die Gerüche,
ich folge dieser schweren Luft
und steh bald in der Küche.
Hier grüßen mich die Bauersleut‘,
man nimmt sich in den Arm,
hab‘ mich so lang‘ darauf gefreut,
hier sind die Herzen warm.
Buchauszug: Gedichte, die Bände sprechen
Autor Dieter Kleffner, ©2020 Edition Paashaas Verlag
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Erinnerungen eines Musikers
Was wär ein Fest ganz ohne Tanz?
Grad‘ die Musik verleiht ihm Glanz.
So mancher Gast im Festsaal denkt:
„Ein Musiker kriegt viel geschenkt.
Musikalisch hat er Gaben,
darf sich am Festmahl ständig laben,
dann gibt’s Applaus vom Publikum,
und finanziell kommt was herum.“
Doch eh‘ man auf der Bühne steht,
eine lange, lange Zeit vergeht.
Bereits in fernen Kindertagen
nervten Eltern mit den Fragen:
„Wann werden wir dich üben hör’n
oder spielst du nicht mehr gern?
Sehr teuer war dein Unterricht.
Denke dran, vergiss das nicht!“
Oft lockte mich der Lego-Kasten,
doch ich hingegen quälte Tasten,
presste Finger auf die Saiten,
die schmerzten beim Heruntergleiten.
Wenn andere Comic-Hefte lasen,
durfte ich die Flöte blasen.
Ich quetschte das Akkordeon,
so wurd‘ ein Musiker gebor’n.
Die ersten Früchte reiften spät,
bei mir war’s in der Pubertät.
Ich mein‘, es war am Lagerfeuer,
mein erstes, kleines Abenteuer.
Mit Gitarre und Gesang
sorgte ich für guten Klang.
Plötzlich lauschte da ein Mädchen
voll Entzücken meinem Liedchen.
Besonders das Zusammenspiel
bedeutet Musikern sehr viel.
Bald tönten Tasten, schlugen Saiten,
und ließen sich von Drums begleiten.
Als Solo klang zum guten Ton
zwischendurch das Saxophon.
Die Sängerin im engen Kleide
war eine echte Augenweide.
Dann wurd‘ darüber diskutiert,
welchen Stil man ausprobiert:
Soll es Blues sein oder Jazz?
Ist der Hardrock viel zu krass?
Lieber Reggie oder Rep?
Macht man sich damit zum Depp?
Spielt man Country oder Pop?
Wird die Band dann nur zum Job?“
War der Musikstil dann klar,
beschloss man auch das Repertoire.
Wir schrieben Texte, malten Noten;
der Sound war auch noch auszuloten.
Zugleich erfüllte sich ein Traum:
Man gab uns einen Proberaum.
Dann hieß es: Üben, bis es klingt,
und der erste Auftritt winkt!
Das Lampenfieber gab Alarm,
weil der erste Auftritt kam.
Wir schleppten auf die Bühne schwer
Verstärker, Boxen, vieles mehr.
Noch bevor die Show begann,
der Schweiß aus allen Poren rann.
Dann zogen wir uns noch mal um,
erwarteten das Publikum.
Wir spielten für ein Schützenfest,
wo‘s sich feucht fröhlich feiern lässt.
Die Band das Publikum nun lockte,
damit es tanzte und auch rockte.
Man rief: „Ab jetzt ist Damenwahl!“,
so tanzte bald der ganze Saal.
Applaus klang von den Wänden wider,
erlösend sank das Lampenfieber.
Kein Schütze ging schon früh nach Hause,
die Band, sie spielte ohne Pause.
Man lallte: „Spielt doch nicht so‘n Käse.
Ich wünsch mir jetzt ’ne Polonäse!“
So zog die Menge schwankend los,
der Jubel wurde riesengroß.
Nur dem Koch entfuhren Flüche
beim Stau des Lindwurms in der Küche.
Bis morgens früh die Menge tobte
und lallend die Musik noch lobte.
Statt der befürchteten Blamage
gab es eine gute Gage.
Das Lampenfieber war nun fort,
doch folgte gleich der Leistungssport.
Waren auch die Füße schwer,
wir räumten brav die Bühne leer.
Ich kam im Hellen erst nach Haus
und sah dann völlig fertig aus.
Ich ließ mich in den Sessel fallen
und begann sogleich zu prahlen:
„Man warf uns Blumen an den Kopf,
an keiner hing zum Glück ein Topf!“
Ich schenkte Bier ins Glas hinein
und schlief noch vor dem Trinken ein.
Buchauszug: Gedichte, die Bände sprechen
Autor Dieter Kleffner, ©2020 Edition Paashaas Verlag
Großvaters Buch
Ich halte dein Buch in der Hand …
Ein kleines Gebetbuch.
Es misst nicht einmal eine Spanne.
Der Einband ist liebevoll in schwarzes Leder gefasst, das seinen typischen Geruch schon vor Jahrzehnten verloren hat.
Die goldenen Buchstaben und Ornamente haben ihren strahlenden Glanz in einer fast vergessenen Zeit zurückgelassen.
>Manna des Lebens< steht auf dem Buchdeckel.
Solange diese Worte noch zu entziffern sind, behalten sie ihre Kraft.
Meine Rechte hält dein Buch, während die Linke ehrfürchtig den Buchdeckel öffnet.
Tatkräftig hebt der Daumen den gebundenen Blätterstapel an. Die gebogenen Seiten entfliehen eine nach der anderen der frechen Daumenkuppe, um wieder rasch ihre verschlafene Haltung einzunehmen.
Der gefächerte Luftzug wirkt wie ein Seufzer. Sein Atem riecht nach altem Druck und altem Papier … Und doch symbolisiert dieser Hauch etwas Geheimnisvolles … Etwas Lebendiges.
Ich bekomme eine Gänsehaut.
Dann liegen alle Blätter wieder leblos übereinander.
Der Blick fällt auf die erste Buchseite.
Die geschnörkelte Druckschrift entspricht dem Stil der wilhelminischen Kaiserzeit.
>Gebet und Andacht< ist in großen Lettern zu lesen.
Dann folgt eine Widmung:
>Für Hans zur heiligen Kommunion< .
Der Verfasser war der Patenonkel Anton.
Viel mehr als die Widmung sagt die Handschrift. Die Buchstaben wurden voller Hingabe mit feiner Feder und guter Tinte gemalt.
Sie ehren die Kunst der Schrift und die Schrift als persönliche Note.
Das Datum 1918 steht synonym für das Ende deiner Kindheit, das Ende eines grausamen Krieges und das Ende der guten, alten Kaiserzeit …
Mein Daumen lässt die Blätter erneut gefächert atmen.
Dein Buch erwacht ein zweites Mal.
Hast einst auch du dieses Blätterspiel gespielt? Hast du vor dem Umblättern deine Fingerkuppe mit der Zunge benässt?
Solange meine Finger diese Seiten bewegen, scheinen wir uns in einer anderen Dimension zu berühren.
Ich schließe meine Augen …
Und ich schließe meine Hände wie zum Gebet um dein Buch …
Ich stelle mir vor, dass meine Finger einen Moment lang die deinen wären.
Dein Buch lässt mich dich als frommes und ehrfürchtiges Kind erkennen.
Der Ledereinband wird wärmer und wärmer. Meine Hände werden feucht …
Ich glaube zu empfinden, wie deine Hände dieses Gebetbuch einst voller Hoffnung umklammerten,
damit die schwersten Sorgen vergehen;
damit sich ein Herzenswunsch erfüllt:
auf dass du und deine Lieben den Krieg unbeschadet überstehen würden.
Ja, so könnte es gewesen sein.
Du hast dein Buch in meiner Welt zurückgelassen,
um es zu bewahren
und dich nicht zu vergessen.
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In der Schreibstube
Am Telefon geb ich mich locker,
doch ich bin ein Stubenhocker.
Gerade auf dem Schreibtischstuhl,
da fühl ich mich besonders wohl.
Nur Tageslicht erhellt den Raum,
wenn’s dämmert, sieht man mich dort kaum.
In der Nacht fehlt ganz das Licht.
Warum? Wieso? Ich brauch es nicht!
Leise rattert der Computer …
Ja, er sieht für mich, mein Guter!
Buchstaben, Wörter, Interpunktion
werden gewandelt in Stimme und Ton.
So schreibe ich sprichwörtlich blind,
bis ganze Bücher fertig sind.
Blind fühle ich mich immobil,
erreiche schlecht ein fremdes Ziel.
Doch geistig reise ich sehr gerne,
flieg fantasievoll durch die Sterne.
Im Dunkeln klappern oft die Tasten,
die Finger woll‘n und woll‘n nicht rasten.
Sie tippen große Abenteuer:
Greifen geistig in ein Steuer,
lenken Boote, Autos, Flieger,
machen mich zum Helden, Sieger.
Sie tippen heiße Kuschelszenen,
zittern auch, wenn sie sich sehnen.
Sie schreiben über Liebe, Hass
und oftmals sind die Augen nass.
Ja, ich bin ein Stubenhocker,
doch ich sehe das ganz locker.
Ich fühle mich nicht isoliert,
ich hör, was draußen so passiert:
Der Regen prasselt an die Scheibe
und geht dem Umweltstaub zu Leibe.
Hagel trommeln, Donner dröhnen,
der Wind pfeift in den höchsten Tönen.
Ein Flugzeug brummt am hohen Himmel,
fern macht der Kirchturm sein Gebimmel.
Im Garten bellt ein großer Hund,
das tut er öfter, ohne Grund.
Ein Nachbar schnauzt den andren an:
„Zu blöd zum Parken? Mann, oh Mann!“
Dann parkt ein offenes Cabrio,
ganz laut erschallt sein Radio.
Oh – vor mir kann ich was brummen hören
und auf der Nase ‘ne Fliege spüren.
Da kommt mir plötzlich in den Sinn,
dass ich hier nicht alleine bin.
„Sag, Stubenfliege, hast du Eile?
Plagt dich etwa Langeweile?“
Sie antwortet nicht auf meine Fragen,
lässt sich von meinen Fingern jagen.
Sie landet auf der Tastatur
und läuft vom W zum E zum R …
Und dann fängt sie auch noch an
und tippt mir einen Fliegen-Roman!
Buchauszug: Gedichte, die Bände sprechen
Autor Dieter Kleffner, ©2020 Edition Paashaas Verlag
Jahresschlemmer
Im Januar ich Glühwein trink‘,
im Februar zum Schunkeln sing‘.
Ich liebe sehr den Après-Ski,
wärm‘ in der Schneebar mir die Knie.
Hoppelnd kommt der Osterhase,
stellt Weidenkätzchen in die Vase.
In Kuchenform gibt’s dann und wann
ein Lamm, den Hasen und den Hahn.
Der Braten hat nur einen Zweck:
Er rettet meinen Winterspeck.
Kaum sind gepellt die bunten Eier,
da lockt bereits die Mai-Tanzfeier.
Mai-Bowle und das Mai-Bockbier
bloß nicht mischen! rat‘ ich dir.
Die Grill-Saison lädt Freunde ein;
schön knusprig muss der Sommer sein.
Die Seilbahn zieht mich auf die Höh‘n,
dort sitz‘ ich in der Sonne schön.
Zum Kühlen schlemm‘ ich noch ein Eis.
Die Waage ruft: „Lass‘ doch den Sch …!“
Doch in mir herrscht mein Schweinehund,
steckt mir die Sahne in den Mund.
Nehm‘ ich am Strand dann noch ein Bad,
der schöne Wassernixen hat,
so fällt mir zwischendurch mal ein,
man lebt nicht für den Bauch allein.
Bald hängen Pflaumen schwer am Baum,
ein Kuchenduft erfüllt den Raum.
Mit Zwiebelkuchen, Federweiße
naht der Herbst ganz heimlich, leise.
Muscheln duften auf dem Tisch,
kommen aus der See ganz frisch.
Sankt Martin reitet stolz daher
bei Brezelduft im Laternenmeer.
Bevor die letzten Blätter fallen,
locken Printen in Regalen.
Dominosteine, süß und fein,
laden mich zum Naschen ein.
Ich habe nicht sehr lang geschaut
und einen Stein davon geklaut.
Er schmilzt im Mund so wunderbar …
Leider schmilzt nun auch ein Jahr.
Wenn ich die Weihnachtszeit besinge,
wachsen am Bauch die Jahresringe.
Buchauszug: Gedichte, die Bände sprechen
Autor Dieter Kleffner, ©2020 Edition Paashaas Verlag
Kinder braucht die Welt
Zwei Alte vorm Seniorenhaus
erörtern viele Fragen.
Herr Kirsch sieht meistens fröhlich aus,
winkt einem Kinderwagen.
Herr Sauer reagiert verbittert,
Weil Kirsch stets zu der Jugend hält;
immer lauter wird gewettert
und deren Übel aufgezählt:
„Was findest du an Babys toll?
Die schrei‘n und drücken Windeln voll!
Kleine Kinder fragen nur,
da ist von Ruhe keine Spur!
Teenager, in ihrer Welt,
die fordern ständig Taschengeld!
Lehrlinge denken nur an Fêten,
uns hätt‘ man in den Arsch getreten!
Studenten gehen demonstrieren,
sind faul und wollen disputieren!“
Da Sauer keine Verwandten hat
und so nichts über Kinder weiß,
lacht Herr Kirsch aus weißem Bart
und erklärt dem anderen Greis:
„Auch wenn ein Säugling wenig kann,
er steckt mit seinem Lächeln an.
Kleine Kinder sind noch ehrlich,
ihre Augen strahlen herrlich.
Kein Teenager den Opa stresst,
da dieser alles durchgehen lässt.
Lehrlinge? Hab‘ keine Sorgen,
sie sind die Meister doch von morgen!
Studenten haben stets gehandelt,
damit die alte Welt sich wandelt.
Viele Kinder braucht die Welt,
da nur das Kind sie jung erhält.“
Kirsch klopft Sauer auf den Schenkel:
„Mach’s gut, mein Freund, jetzt kommt mein Enkel!“
Buchauszug: Gedichte, die Bände sprechen
Autor Dieter Kleffner, ©2020 Edition Paashaas Verlag
Lebenssinn
Wo kommen wir her, wo gehen wir hin?
Worin besteht der Lebenssinn?
Was wird denn nach dem Tod geschehen,
wird es danach weitergehen?
Aus Ängsten vor der Endlichkeit
und der begrenzten Lebenszeit,
aus diesem großen Unbehagen
stellt der Mensch sich solche Fragen.
Um diese Ängste zu verdrängen,
musste er den Geist anstrengen.
Und der erschuf als Strategie
Die bildhaft kluge Fantasie.
Die ließ ihn über Grenzen sehen
und mehr von seiner Welt verstehen.
Dass alles stets vergänglich war,
war schon dem Steinzeitmenschen klar.
Doch starb ein Freund, so brach sein Herz,
völlig trostlos war sein Schmerz.
Das Totenfeuer brannte nieder,
die Furcht erfasste seine Glieder.
Er sah die Flammen voller Frust.
Da brachte ein Gedanke Trost:
„Wie das Holz im Brand vergeht
und sein Rauch zum Himmel weht,
So wird nach dem Menschenleben
sein Geist wohl in den Himmel schweben!“
So wurd‘ das Jenseits einst ersonnen,
so hat der Glaube wohl begonnen.
Doch wie im Diesseits jeder weiß,
stieg das Jenseits bald im Preis.
Denn kluge Priester und Propheten
schufen Regeln für das Beten,
bestimmten, wie man Göttern huldigt,
die angeblich ungeduldig.
Sie segneten nur noch die Frommen,
die später in den Himmel kommen.
Doch Diesseits, Jenseits gab es schon,
da gab’s noch keine Religion.
Für alle transzendenten Dinge
gibt es Riten und Gesänge.
Sie können das Jenseits nicht erklären,
sie helfen nur, es zu verehren.
So nützlich auch der Glaube ist,
das Leben hat stets eine Frist.
Doch würden nicht Gefahren lauern
und das Leben ewig dauern,
dann wär das Dasein eine Qual,
denn alles wär dem Mensch egal.
Er würde keinen Sinn mehr suchen,
nur über Langeweile fluchen.
Der Tod ist also gar kein Feind;
die Schöpfung hat es gut gemeint.
Nur mit begrenzter Lebenszeit
ist der Mensch sehr gern bereit,
tief und intensiv zu leben
und seinem Dasein Sinn zu geben.
Buchauszug: Gedichte, die Bände sprechen
Autor Dieter Kleffner / Edition Paashaas Verlag
Von der Urzeit zur Zeit der Uhr
Am Anfang war der Urknall
Es entstanden Raum und Zeit
Noch immer rauscht der Urschall
Lautlos tickt die Ewigkeit.
Statt dem großen alten Urmeer
Gibt es heut ein Meer von Uhren
Schiffsmotoren stampfen dort her
Wo einst stille Segler fuhren.
Unendlich langsam wuchs der Urwald
Hatte wohl alle Zeit der Welt
Leider fällt sei letzter Baum bald
Statt der Natur regiert das Geld
Der Urmensch hatte viel Gespür
Für alle Tiere und die Pflanzen
Mit Respekt vor der Natur
War er ein Teil des Ganzen
Gemütlich war der Urmensch
Er zählte keine Stunden
Der moderne Uhr-Mensch
Lebt‘ nach Minuten und Sekunden
Der Uhren-Mensch tickt doch nicht richtig
Dem Bio-Rhythmus trotzt er gern
Nimmt die Karriere sehr sehr Wichtig
Macht den Konsum zu seinem HerrN
Besinnlichkeit könnt‘ Ruhe geben
der Urinstinkt Gelassenheit
Mensch – kannst du ohne Uhrzeit leben?
Hast du im Ur‘laub dafür Zeit?
©2020 by Dieter Kleffner
Was mir Sprichwörter sagen
Ein Sprichwort sagt:
„Wer schreibt, der bleibt!“
Ich sage: Nein, ich bleibe nicht!
Von dem, der schreibt, bleibt vielleicht ein Gedicht …
vielleicht bleibt ein Brief – sogar ein Roman,
den man als Buch erwerben kann.
Mutter sagte:
„Iss bitte deinen Teller leer,
Sonst scheint die Sonne bald nicht mehr!“
Bei sonnigem Wetter hab ich noch heut’ den Gedanken,
ich müsst’ mich bei dicken Menschen bedanken.
Vater sagte:
„Lerne, spare, leiste was,
Dann wirste, haste, biste was!“
Als reifer Mensch sage ich:
„Lernen ist gut, wenn der Lehrstoff stimmt.
Sparen ist gut, wenn kein Börsen-Crash kommt.
Doch was bedeutet: „Dann biste was? –
Der Zeitgeist bestimmte stets, wer was ist.
Und ließ sich auch blenden von ideologischem Mist!“
Großmutter sagte:
„Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.“
Sie hat immer für alle das Beste gewollt.
Oma konnte zuhören und weise schweigen,
mit gütigem Lächeln wahre Liebe zeigen.
Großvater sprach:
„Der Klügere gibt nach.“
Kluges Nachgeben hat aber nur Sinn,
wenn ich danach nicht der Dümmere bin.
Der Volksmund sagt:
„Zeit ist Geld –
und das Geld regiert die Welt.“
Vorsicht: Menschen, die ihr Geld nur zählen,
denen scheint ein Herz zu fehlen.
Fazit:
Sprichwörter sind sinnvoll und haben Gewicht,
doch sie ersetzen das Nachdenken nicht …
Buchauszug: Gedichte, die Bände sprechen
Autor Dieter Kleffner, ©2020 Edition Paashaas Verlag